German Constitutional Court hearing on data retention law
Today I've taken one day off work in order to attend the publich hearing of Germany's constitutional c ourt on several constitutional complaints against a German national law on data retention of telecommunications data. As the topic is likely only relevant to Germans, and due to the fact that I am not very confident with my English legalese outside of copyright law, I'll switch to German for this blog post - which I believe is unprecedented in this blog so far.
Tja, da war ich also heute einer der wenigen auserkorenen Besucher beim BVerfG. Immerhin haben mehr als 34.000 Leute Verfassungsbeschwerde eingelegt, auch wenn rein formal heute nur eine Hand voll exemplarische Beschwerden verhandelt wurden. Diesen Trick hat sich das BVerfG wohl ausgedacht, um nicht vor dem Problem zu stehen dass jeder Beschwerdefuehrer sicher ein Recht haette, persoenlich vor Gericht anwesend zu sein.
Der Gerichtssaal des BVerfG ist sehr klein. So klein, dass bei besonders bedeutungsvollen Verfahren kaum mehr Platz fuer Besucher ist. Der eigentliche Gerichtssaal war schon durch die Beschwerdefuehrer, die zahlreichen Vertreter des Gesetzgebers und der Behoerden und Amstraeger (BKA, Polizeipraesidenten, Richter an diversen Gerichten, Bundes- und Landesdatenschutzbeauftragte, Mitglieder des Bundestags und nicht zuletzt die zahlreichen wissenschaftlichen Mitarbeiter des Bundesverfassungsgerichts selbst belegt. Hinten waren noch zwei Reihen fuer Besucher frei.
Diese beiden Reihen wurden durch Studentengruppen belegt - oder vielleicht koennte man fast sagen "verschwendet". Ein nicht unerheblicher Teil dieser Studenten (u.a. der TU Darmstadt) hatte tatsaechlich geschlafen. Was fuer eine Ungeheuerlichkeit, nicht nur ein Mangel an Respekt gegenueber dem hoechsten Gericht des Landes und dem Thema gegenueber - sondern auch eine unverschaemtheit gegenueber den vielen vmtl. hunderten von interessierten Buergern die gerne der Verhandlung beigewohnt haetten, aber einfach keinen Platz mehr bekommen haben. Freunde von mir haben am 2. Tag nach der Terminankuendigung versucht noch einen Platz zu bekommen - vergebens.
Da haben wir also die nahezu perverse Situation, dass das hoechste Gericht zwar faktisch von jedem Buerger angerufen werden kann, dies auch eine fuenfstellige Zahl an Buergern wahrnimmt - dann aber die eigentliche Verhandlung nur fuer eine kleine Elite zugaenglich ist, und Aufzeichnungen oder Uebertragungen nicht gestattet sind. Das erscheint mir doch irgendwie ungerecht.
Doch nun zur Sache:
Der 1. Senat unter dem Vorsitzenden Richter Papier hat die Anhoerung im Allgemeinen sehr souveraen geleitet. Es gab ein paar amuesante Momente, als z.B. die Vertreterin des Justizministeriums das Wort an den Prozessbevollmaechtigten der Bundesregierung uebergeben hat, obwohl doch das Gericht normalerweise das Wort erteilt, und nicht andersherum ;)
Wie auch schon bei der letzten Verhandlung: Die Beitraege der geladenen Sachverstaendigen waren bisweilen der interessanteste Teil, vor allem eben die diversen Fragen des Gerichts. Diese Fragen erlauben einerseits einen Blick hinter die Ueberlegungen der Richter - andererseits aber auch in wie weit die technischen Zusammenhaenge und deren Folgen vom Gericht bereits verstanden werden. Das jetzt bitte nicht falsch verstehen: Ich habe tiefsten Respekt vor dem Gericht, und es ist i.d.R. sehr erstaunlich wie weit sich die Richter in das jeweilige Fachgebiet einarbeiten. Wie auch schon bei der Verhandlung zu den Wahlcomputern lassen die Vertreter der Regierung bzw. der untergeordneten Behoerden da oft deutlich weniger umfassende Kenntnisse durchblicken.
Die ganze Debatte zur VDS (Vorratsdatenspeicherung) ist verzwickt. Wir haben da historisch einen Bundestag, der keine VDS will, einen Rat der EU-Innenminister der das dann einfach als EU-Richtlinie beschliesst, und einen Bundestag, der in Folge die exzellente Ausrede hat, dass er die Richtline ja umsetzen muesse, um von der EU kein Verfahren angehaengt bekommt.
Die EU-Richtline heisst nun eben auch, dass das BVerfG nun nicht nur in der Sache zur VDS entscheiden kann, sondern sich eben noch mit der Frage beschaeftigen muss, was denn passiert wenn eine EU-Richtline mit dem Deutschen Grundgesetz in Konflikt steht.
Ein paar voellig ungeordnete aber fuer mich bemerkenswerte Punkte der Verhandlung heute:
- Es gibt keine empirisch/wissenschaftliche Grundlage die belegt, dass die VDS zur bekaempfung von Terroristischen Anschlaegen geeignet ist (das war ja nach Dem 11.9. sowie den Anschlaegen von Madrid und London die Begruendung).
- Der Chef der Bundesnetzagentur hat mehrfach ganz unuebersehbar nicht auf eine wiederholte Frage des BVerfG geantwortet: Gibt es Unternehmen, die gesetzlich zur VDS verpflichtet sind, aber andererseits keinerlei Verpflichtung zur erstellung oder Abgabe eines Sicherheitskonzepts zur Sicherheit dieser Daten haben? (Meine Auffassung: Ja, die gibt es!)
- Die Bundesnetzagentur macht, wie sie selbst sagt, im wesentlichen Pruefungen der Sicherheitskonzepte am Schreibtisch. Das muss ja mit der Realitaet in den Unternehmen nicht viel zu tun haben.
- Einer der Beschwerdefuehrer, Minister A.D. Dr. Burkhard Hirsch hat wohl die lebhaftesten und unverbluemtesten Redebeitraege gehalten; sehr erfrischend.
- Der Polizeipraesident von Muenchen wurde gebeten, konkret zu begruenden, wie die VDS der polizeilichen Ermittlungsarbeit in Muenchen hilft. Fast alle seiner Beispiele waren ungeeignet, da sie auch ohne VDS aber z.B. mittels einer telefonischen Fangschaltung oder einer Verbindungsdatenspeicherung nach expliziter Aufforderung durch die Polizei (und nicht auf Vorrat) moeglich gewesen weaeren. Zwei seiner Beispiele haben sich zudem generell als falscher Alarm herausgestellt (Journalist macht einn Testanruf; gelangweilter Schueler kuendigt aus Spass Amoklauf an). Das klang alles eher nach Stammtischgeschichten als nach fundierter Ermittlungsarbeit in wichtiger Sache.
- Die Sicherheitsanforderungen an die Speicherung der VDS-Daten ist derzeit offensichtlich nicht hoeher als an alle anderen Daten innerhalb des Fernmeldegeheimnisses insgesamt. Also der gleiche Sicherheitslevel, der uns zu den Datenschutzskandalen wie z.B. bei der Telekom gefuehrt hat. Das ist ja mal echt vertrauenerweckend.
- Der Chef der Bundesnetzagentur spricht gerne vom "bill shock", was laut ihm eine ueberhoehte Telefonrechnung nach unabsichtlicher Nutzung der teuren Auslandsroaming-Tarife im Mobilfunk ist.
- Ein kleiner Schmunzler am Rande war dann noch Burkhard Hirsch's "Blueberry", als er den Blackberry meinte ;) Ja, klar, jeder weiss was er meint und niemand nimmt es ihm uebel - aber es zeigt einfach, wie unsicher die "alte Garde" mit den Begrifflichkeiten der heutigen Alltagswelt umgeht.
- Die qualitaet der Richterlichen Anordnungen laesst offensichtlich sehr zu wuenschen uebrig. Es ist aufgabe des jeweiligen Richters, einzuschraenken genau welche Daten denn vom TK-Dienstleister uebergeben werden sollen. Laut dem Vertreter des Verbands der Internetwirtschaft (eco e.V.) kommen hier anscheinend recht allgemeine Anordnungen im Stil von "geben Sie uns mal alles was Sie haben" vor. Das geht so natuerlich nicht!
- Es kam zur Sprache, dass deutlich mehr Leute jetzt ihre eigenen e-mail Server betreiben wollen (privat und bei Firmen), weil man sich damit der e-mail VDS entziehen kann. Ist ja schoen, dass es den Trend gibt, und gut dass das auch mal auf dieser Ebene zur Sprache kommt. (Fuer mich kaeme etwas anderes niemals in Frage. Meine Daten gehoeren mir. Ich wuerde weder die Speicherung meiner Mails noch jeglicher anderer Daten jemals einer anderen Person anvertrauen, weder einem Privatunternehmen noch einer staatlichen Stelle). Das ist genau einer der vielen Tricks, mit denen die "digitale Elite" (und garantiert auch die vermeintlich zu bekaempfende organisierte Kriminalitaet oder der Terrorismus) arbeitet. Letztlich trifft man dann nur den Otto-Normalverbraucher, und benutzt die Daten dann fuer harmlose Beleidungsdelikte oder Urheberrechtsverletzungen im privaten Bereich.